Kein anderes Thema hat die Geburtshilfe so lange und so prägend dominiert wie die Sectio. Für die Einen ist die Sectio weiterhin ein risikobehafteter, operativer Eingriff, der nur zur Abwehr auftretender Probleme streng indiziert vorgenommen werden darf- und provokativ formuliert – das Versagen des geburtshilflichen Teams manifestiert und bei steigender Sectiorate zur Furcht um die Existenz des Faches Geburtshilfe führt. Für die Anderen ist es die zielstrebigste, einfachste und für alle Beteiligten in Summe risikoärmste Art den Akt der Geburt zu absolvieren.
Durch Planbarkeit, Kalkulierbarkeit der Risiken, abnehmende Duldungsbereitschaft der Gebährenden und des Partners sowie durch die Furcht der Geburtshelfer vor Klagen scheint diese Form der Entbindung gerade ideal für unsere Gesellschaft. So verwundert es nicht, dass die Sektiorate in den letzten 20 Jahren weltweit deutlich gestiegen ist, wobei abzusehen ist das dieser Trend weitergehen wird. In den Niederlanden liegt die Sektiorate bei 10 %, in Deutschland bei rund 19 %, und in den USA bei etwa 25 % (2.).
Der globale Zuwachs der Sectiorate lässt sich durch die Veränderung verschiedener einwirkender Faktoren erklären wie die Erweiterung der Indikationsstellung zur Sectio, medizinische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Aber sehen wir uns nicht durch die Zunahme an Kaiserschnitten mit neuen Problemen konfrontiert ?
Unbestritten ist die Sectiomortalität in Deutschland heute so niedrig wie nie zuvor. Dies ist zum einen dem Fortschritt der Operationsmethoden als auch den modernen Anästhesieverfahren zu verdanken. Dennoch lässt sich der Kaiserschnitt nicht als Bagatelleingriff einstufen. Vergleicht man die Mortalitätsraten bei vaginaler Entbindung und bei Kaiserschnittentbindung, ergibt sich ein bis zu 9-fach höheres Sterblichkeitsrisiko für die Mutter beim Kaiserschnitt (2.). Nicht zu vernachlässigen sind die kurzfristigen Folgen wie postpartale Hysterektomie, Wundheilungsstörungen, tiefe Venenthrombose und die Lungenembolie. Als Langzeitfolgen die Entstehung von Adhäsionen, Ileus und bei einer nachfolgenden Schwangerschaft eine Plazenta accreta bzw. praevia im Bereich der Sectionarbe sowie die Uterusruptur (2.).
Obwohl der Zustand nach Sectio nicht automatisch eine Indikation zur ReSectio bei nachfolgender Geburt darstellt, gibt es doch Gründe dazu die Frau in der nächsten Schwangerschaft einem Risikoklientel zuzuordnen. Außer Zweifel steht, dass das Risiko einer Uterusruptur in der nachfolgenden Schwangerschaft deutlich zunimmt und das es häufiger zu einer Plazenta accreta kommt.
In einer im New England Journal of Medecine veröffentlichten retrospektiven Studie (1) wurden die Daten von 20.095 Frauen, über einen Zeitraum von 10 Jahren (1/87-12/96) eingeschlossen, die ihr erstes gesundes Kind per Kaiserschnitt entbunden haben und auch ihr zweites Kind in diesem Zeitraum bekamen. Untersucht wurde das Risiko der Uterusruptur bei der Geburt des zweiten Kindes.
Die Uterusruptur stellt eine seltene, jedoch schwerwiegende Komplikation unter der Geburt dar. Deren Folgen für die Mutter Hysterektomie, Verletzungen des Urogenitaltraktes, Bluttransfusionen und das damit verbundene Infektionsrisiko und der müttlerliche Tod sein können.
Postpartale Komplikationen wie schwerwiegende Anämie, Wochenbettinfektionen, Harnblasenverletzungen, Ileus, Hysterektomie, Krankenhausaufenthalt länger als 5 Tage und der Kindstod treten statistisch signifikant häufiger bei Frauen nach Uterusruptur auf, verglichen mit Frauen nach elektiver Re-Sectio. Beim Neugeborenen kann es zu schwerwiegenden Komplikationen wie hypoxischer Hirnschaden oder Tod kommen.
In den USA haben ca. 60 % der Frauen nach einem Kaiserschnitt in der folgenden Schwangerschaft Geburtswehen. Es besteht die Vermutung, dass diese Wehentätigkeit unter der Geburt des zweiten Kindes verglichen mit der elektiven Re-Sektio, zu einem erhöhten Komplikationsrisiko für Mutter und Kind führt.
- Insgesamt kam es von 20.095 Frauen bei 91 zur Uterusruptur (0,45 %).
- 10.789 Frauen (53,7%) hatten bei der zweiten Geburt eigene Wehen, 56 (0,52%) erlitten eine Uterusruptur;
- Bei 1960 Frauen wurden die Wehen nicht durch Prostaglandine (Ocytocin) ausgelöst, 15 Frauen (0,77%) bekamen eine Uterusruptur;
- Bei 366 Frauen wurden die Wehen durch Prostaglandine ausgelöst, 9 (2,45%) Frauen hatten eine Uterusruptur.
- Von 6980 Frauen mit elektiver Re-Sektio (34,5%), erlitten 11 Frauen eine Uterusruptur (0,16%).
Vergleicht man nun das Risiko einer Uterusruptur bei der elektiven Re-Sektion mit dem Risiko einer Uterusruptur bei Wehentätigkeit ergibt sich, dass Wehen unter der zweiten Geburt einhergehen mit einem statistisch signifikant erhöhten Risiko einer Uterusruptur.
Für die spontan einsetzenden Geburtswehen lag das Risiko 3,3 mal höher als bei einer elektiven Sektio, wobei das Risiko noch recht niedrig war. Das Risiko der Uterusruptur war bei medikamentöser Geburtseinleitung am größten, ohne Prostaglandine lag ein um den Faktor 4,9 erhöhtes Risiko vor. Insbesondere bei der Verwendung von Prostaglandinen bestand ein um den Faktor 15,6 erhöhtes Risiko. Die Gabe von Misoprostol (ab 1996) änderte nichts am erhöhten Risiko. (In Deutschland findet Misoprostol lediglich Anwendung als Magenschleimhautprotektivum)
Zusammenfassend ist zu sagen, dass für Frauen nach der ersten Sektio das Risiko der Uterusruptur bei der zweiten Entbindung höher ist, wenn sie Wehen haben, verglichen mit dem Risiko einer Unterusruptur bei einer elektiven Re-Sektio, das bei 0,16 % liegt.
Das höchste Risiko besteht, wenn die Geburt durch Prostaglandine eingeleitet wird.
Wird das erste Kind per Sektio entbunden, so beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Uterusruptur bei der folgenden Geburt unabhängig vom Geburtsmodus 0,45 %.
Um nun das untersuchte Krankengut differentierter zu betrachten wurden Schwangerschaftsrisiken mit einbezogen wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Präeklampsie, Beckenendlage, Herpes genitales und Plazenta praevia die an sich schon in die erweiterte medizinische Indikation zur Sectio gehören.
Das Risiko der Uterusruptur, das für Frauen nach einer Sektio bei der zweiten Geburt durch die Wehentätigkeit statistisch signifikant erhöht ist, verminderte sich nicht, als die Frauen mit Schwangerschaftsrisiken ausgeschlossen wurden.
Letztlich gibt es keine genaue Information über die verwendeten Prostaglandine bzw. Prostaglandinanaloga noch über deren Dosierung. In den USA ist Misoprostol für Frauen nach erfolgten Kaiserschnitt zur Einleitung der zweiten Geburt aufgrund des erhöhten Risikos nicht mehr zugelassen. Warum die Geburtseinleitung mit Prostaglandin vermehrt zu Uterusrupturen führt ist ungeklärt. Es mag Unterschiede zwischen den einzelnen Präparaten geben, möglicherweise spielt auch der Reifegrad des Muttermundsbefundes bei Prostaglandinapplikation eine Rolle. Exaktere Ergebnisse können nur durch weitere Studien erbracht werden.
Zwei andere Studien zu dieser Fragestellung kamen zum gleichen Ergebnis wie diese Studie. Eine in der Schweiz durchgeführte Studie konnte eine Verdopplung des Uterusrupturrisikos durch Wehentätigkeit bei der zweiten Geburt nach vorheriger Sektio beim ersten Kind, verglichen mit einer elektiven Re-Sektio feststellen. Ähnlich war das Ergebnis einer Studie aus Kalifornien. Eine weitere Studie aus Kanada konnte jedoch keine statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Uterusruptur und der Wehentätigkeit finden. Diese unterschiedlichen Ergebnisse werden dazuführen, dass dieses Thema auch in Zukunft kontrovers diskutiert werden wird.
Welche Konsequenz ergibt sich daraus für die Geburtshelfer?
Die Indikation zur Sectio sollte bei Frauen nach vorhergehendem Kaiserschnitt großzügig gestellt werden, insbesondere beim Vorhandensein von zusätzlichen Schwangerschafts- bzw. Geburtsrisiken (Makrosomie mit geschätztem Geburtsgewicht über 4500 g, Beckenendlage, Terminüberschreitung mit ungünstigem Zervixscore, patholog. CTG, prothrahierter Geburtsverlauf).
Bei der Indikation zur Sectio gibt es nur wenig verbindliche Richtlinien und es spannt sich ein Bogen von zwingender bzw. erweiterter medizinischer Indikation über die psychische Indikation bei vorangegangenem traumatischen Geburtserlebnis bis hin zum ausschließlichen Patientenwunsch aus Koordinationsüberlegungen der Schwangeren bzw. des Partners ohne das Vorliegen irgendeiner medizinischen oder psychologischen Indikation („Wunschsektio“).
Literatur
M. Lydon- Rochelle et al. Risk of uterine rupture during labor among women with a prior cesarean delivery. The New England Journal of Medicine Vol. 345 Nr.1 (2001).
Der Gynälologe 2000 Nr.33: 842-890.